22. Februar 2024
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#BlackHistoryMonth – Viktor Löwenfeld (1903-1960)

von Barbara Staudinger
© Alchetron.com
Mit dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich im März 1938 wurden auch in Österreich die rassistisch-antisemitischen Gesetze des NS-Regimes gültig. Jüdische Akademiker:innen, die durch antisemitische Agitation an den Hochschulen bereits Jahre davor sukzessive aus den Universitäten verdrängt wurden, verloren nun ihre Titel, ihre Lehrerlaubnis und somit auch ihre Existenzgrundlage.

Folge davon war ein Brain Drain, also die Flucht jüdischer Akademiker:innen aus dem Deutschen Reich, mehrheitlich in die USA, wo sie sich, nun akademisch heimatlos geworden, an den dortigen Universitäten bewarben. Auch an den amerikanischen Eliteuniversitäten mit Antisemitismus konfrontiert, gelang es jedoch vielen nicht, in den USA auch wissenschaftlich Fuß zu fassen. Letztendlich wurden viele an Colleges in den Südstaaten, die Schwarzen Studierenden vorbehalten waren, aufgenommen. Dort mit einer rassistischen Gesetzgebung konfrontiert, engagierten sie sich im Civil Rights Movement, förderten Schwarze Studierende und solidarisierten sich in deren Kampf um Gleichberechtigung. Einer von ihnen war der österreichische Psychologe und Kunstpädagoge Viktor Löwenfeld.
 
In Linz geboren ging der Kaufmannssohn Viktor Löwenfeld nach der Schule nach Wien, wo er an der Wiener Kunstgewerbeschule Kunst bei Franz Čižek und an der Universität Wien Psychologie studierte. Neben dem Studium arbeitete er ab 1923 am Israelitischen Blindeninstitut Hohe Warte. Gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Ludwig Münz reorganisierte er dort nicht nur den Kunstunterricht, sondern dürfte auch für seine weiteren Forschungen geprägt worden sein.

Nach Abschluss seines Studiums wurde er 1928, gerade einmal 25 Jahre alt, Leiter der Zwi-Perez-Chajes-Schule und Professor für Kunsterziehung an der Wiener Universität. Wie für viele andere jüdische Akademiker:innen bedeutete der „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich 1938 das Ende seiner universitären Karriere in Wien.

Von der Universität ausgeschlossen, emigrierte er in die USA, wo er sich nun „Lowenfeld“ nannte. Nachdem ihm mehrere Universitäten abgelehnt hatten, bekam er 1939 schließlich eine Stelle am Hampton College in Virginia (heute Hampton University), einem College für Schwarze Studierende in den Südstaaten, wo die Gesetze zur Rassentrennung (Jim Crow Laws) bis in die 1960er-Jahre gültig waren und erst durch den Civil Rights Act aufgehoben wurden. Er begann als Assistenzprofessor, wenige Jahre später wurde er Leiter des Art Departments und schließlich 1945 Kurator der Black African Art-Sammlung am Hampton Institute.

Löwenfeld veröffentlichte in seiner Zeit am Hampton College nicht nur seine wissenschaftlich bedeutendsten Arbeiten, die ihn zum bedeutendsten Kunstpädagogen der USA im 20. Jahrhundert machten, sondern er wurde auch zum Mentor Schwarzer Studierender und Unterstützer des Civil Rights Movement. Er hatte seit seiner Wiener Zeit mit Menschen zusammengearbeitet, die sozial, psychisch, physisch oder rassistisch diskriminiert wurden.

Die Beobachtung, die er in psychiatrischen Einrichtungen sowie im Israelitischen Blindeninstitut machte, führten ihn nicht nur zu seiner Theorie der Entwicklung künstlerischer Ausdrucksformen bei Kindern, die er in den USA ausformulierte und die bis heute gelehrt wird. Aus seiner Grundüberzeugung heraus, dass kein Individuum an der Ausübung seiner künstlerischen Kreativität gehindert werden dürfe, entstand im rassistischen Umfeld der Südstaaten auch seine künstlerische Praxis von Empowerment, Widerstand und Aktivismus, die viele seiner Studierenden beeinflusste.

(1) Einer von ihnen war John T. Biggers, der in der sogenannten Harlem Renaissance nach dem Zweiten Weltkrieg bekannt wurde und Viktor Löwenfeld 1946 an die Pennsylvania State University folgte. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er als Soldat in der US Army gedient hatte, wurde Viktor Löwenfeld 1946 US-amerikanischer Staatsbürger. An der Penn State wurde er schließlich Professor für Kunsterziehung und leitete ab 1957 bis zu seinem Tod das Department of Art Education. Sein 1947 publiziertes Buch „Creativity and Mental Growth“ gehört neben anderen Publikationen Löwensteins noch heute zur Standardliteratur der Kunstpädagogik. Trotz seiner späten akademischen Anerkennung sah er seine Arbeit am Hampton College immer als besonders erfüllend. Löwenfeld starb 1960 in den USA. Er erlebte die Rücknahme der Gesetze zur Rassentrennung nicht mehr.

  1. Ann Holt, Lowenfeld at Hampton (1939-1946): Empowerment, Resistance, Activism, and Pedagogy, in: Studies in Art Education 54/1 (2012), S. 6-20.